Tage vorher schon das Schulessen bestellen? Keine Spontanität an der Essensausgabe? Davon hält man bei Cultina nicht viel. Das Cateringunternehmen aus Gütersloh setzt in der Schulverpflegung auf Unabhängigkeit und Flexibilität. Die Kinder sollen ihrem Appetit folgen und ihr Essen spontan auswählen können. Dafür setzt das Team um Vivian Wehmeyer auf eine ausgeklügelte Kombination aus Cook & Freeze und Frischküche.
Frisches und Gefrorenes
Cultina wurde 1998 gegründet und gehört zur Viveno Group, einer Tochtergesellschaft der Bertelsmann SE & Co KGaA. Bis 2007 war das Unternehmen ausschließlich in der Betriebsgastronomie tätig, dann kam die Schulverpflegung als Geschäftszweig hinzu. Heute werden bis zu 2.500 Mahlzeiten täglich an 16 Schulen im Kreis Gütersloh ausgegeben. Bestimmte Komponenten des Essens werden dafür in der Zentralküche gekocht und dann direkt tiefgefroren – Suppen, Saucen oder Fleisch etwa. In den Einrichtungen werden diese Gerichte in der für den Tag benötigten Menge erhitzt und zusätzlich mit frisch vor Ort zubereiten Beilagen ergänzt. „Nudeln und Kartoffeln kochen wir frisch vor Ort, auch Salate werden erst kurz vor der Ausgabe zubereitet“, berichtet Vivian Wehmeyer, die als Bereichsleiterin für Schulen bei Cultina tätig ist. Dieses System ermögliche den Küchenkräften, spontan auf die aktuelle Nachfrage zu reagieren, erklärt sie.
Abo statt Vorbestellung
Cultina arbeitet nicht mit einem typischen Bestellsystem, bei dem Kinder bzw. Eltern schon Tage oder gar Wochen im Voraus Gerichte auswählen müssen. Stattdessen gibt es ein flexibles Abosystem. „Die Eltern schließen ein Abo mit uns ab, z. B. für zwei Tage Mittagessen pro Woche“, erklärt Wehmeyer. „Wann die Kinder dann zum Essen kommen, ist egal.“ Auch spontane Zusatzessen sind möglich und werden einfach über das implementierte Chipsystem abgerechnet. Das sei logistisch zwar herausfordernd, gibt sie zu, aber es passe in das kinderfreundliche Gesamtkonzept des Unternehmens. In Cultina-Mensen stehen jeden Tag zwei Menülinien auf dem Speiseplan – eine vegetarische und eine mit Fleisch. Dazu gibt es in jeder Schule eine Pasta- und eine Salatbar, an denen sich die Kinder und Jugendlichen selbst bedienen können. Die Kinder essen, wann und was sie wollen. In der Summe sorge dieses System dafür, dass es vergleichsweise wenig Essensreste gebe, erzählt Vivian Wehmeyer.
Wichtiges Sicherheitsnetz
Ihr liegen die Themen gesunde Ernährung und Kinderverpflegung besonders am Herzen. „Die Ernährung beeinflusst nicht nur die Gesundheit, sondern auch das emotionale Wohlbefinden“, sagt sie. Wehmeyer ist gelernte Köchin und studierte Ökotrophologin und weiß genau, worauf es ankommt. Eine ausgewogene Schulverpflegung sei wie ein Sicherheitsnetz, das Mangelernährung verhindern könne, erklärt sie. Und dabei gehe es nicht allein um hungrige Kinder, die zuhause zu wenig zu essen bekommen, sondern auch um „nährstoffunterversorgte Kinder“. Denen sieht man den Mangel nicht an, oft sind sie sogar übergewichtig, obwohl ihnen Vitamine und Mineralstoffe fehlen. „Von einem bunten, abwechslungsreichen, kindgerechten Essensangebot profitieren alle“, ist Wehmeyer überzeugt.
Abwechslung schmeckt
Cultina ist DGE-zertifiziert, folgt also strengen Vorgaben für Lebensmittelgruppen und Nährstoffe. Für Abwechslung im Speiseplan sorgen saisonale Angebote und Aktionswochen. „Im Sommer gibt es Erdbeeren, im Winter Kohl, auch die Spargelzeit nutzen wir voll aus“, erzählt Vivian Wehmeyer. So sollen die Kinder nebenbei lernen, welche Lebensmittel in der Region wachsen und wann sie reif und schmackhaft sind. Es gebe viele kleine Stellschrauben, um Kinder an gesundes Essen heranzuführen, findet die Bereichsleiterin. Ihr Team testet z. B. im Rahmen einer Veggiewoche gern neue vegetarische Gerichte. Besonders beliebt bei den Schülerinnen und Schülern sind Kürbissuppe und Lasagne. Aber auch der Burgertag sei immer ein Highlight, gibt sie zu.
Chancengerechtigkeit für alle
Damit möglichst viele Kinder Zugang zu gutem Kita- und Schulessen bekommen, spricht Vivian Wehmeyer sich für eine staatliche Subventionierung aus. „Familien müssen entlastet werden. Alle Kinder brauchen faire Startmöglichkeiten.“ Auf der Suche nach Menschen mit ähnlichen Idealen stieß sie auf den VDSKC. „Wir haben die gleichen Probleme, die gleichen Ziele“, freute sie sich. Im Juni 2024 wurde Cultina Mitglied im Verband. Wehmeyer wünscht sich, dass Caterer und ihre Expertise aus der Praxis stärker ins politische Geschehen involviert wären: „Wir können uns für die Kinder einsetzen, die sonst keine Lobby haben.“