Mit Verwunderung beobachten wir seit einigen Wochen, dass sich die Stimmen gegen die kostenfreie Schulverpflegung in Berlin mehren. Angetrieben von einigen wenigen CDU- und SPD-Politikern wird in den Kommentarspalten der Medien eine polemische Scheindebatte über den Wert kostenfreier Angebote, den überbordenden Sozialstaat und „Ärzteeltern“ geführt, die angeblich durch die Regelung des kostenfreien Schulmittagessens in der Hauptstadt zu Unrecht entlastet würden.
Was in der öffentlichen Debatte keine Erwähnung findet, sind Themen wie Ernährungsarmut, Bildungsgerechtigkeit oder Teilhabe. Der Senat muss sparen und das erste, was ihm dazu einfällt, ist, den Kindern das Mittagessen vom Teller zu nehmen? Soll so die im Koalitionsvertrag angestrebte Chancengleichheit aussehen?
Der VDSKC spricht sich in aller Deutlichkeit für eine Weiterführung der kostenfreien Mittagsversorgung in allen Berliner Schulen aus. Es wäre fatal, jetzt nur auf den nächsten Haushalt zu blicken und dieses bundesweit einmalige Vorzeigeprojekt nach nicht einmal fünf Jahren wieder abzuschaffen. Berlin ist 2019 vorangegangen und hat etwas Großes gewagt. Die Idee, alle Grundschulkinder kostenfrei zu versorgen, war gut und richtig. Anstatt dieses Modell zu kritisieren, sollten sich vielmehr andere Städte und Gemeinden ein Vorbild an Berlin nehmen und ihre eigene ungerechte Bildungspolitik überdenken.
Jeder weiß, dass hungrige Kinder schwerer lernen und eher verhaltensauffällig sind. Zu guter Bildung sollte daher auch eine gesunde, abwechslungsreiche Schulverpflegung fest dazugehören. Angesichts der allgemeinen Stimmung in der Bevölkerung lässt sich feststellen: die aktuelle Debatte geht am Thema vorbei. Es ist mittlerweile durch mehrere Umfragen belegt, dass die Mehrheit der Deutschen das kostenfreie Mittagessen in Schulen begrüßt. Auch die wichtigste Empfehlung des Bürgerrats Ernährung war das kostenfreie Essen für Schulkinder. Zudem hat eine kürzlich vom WWF durchgeführte Untersuchung gezeigt, dass ein Großteil der Deutschen unzufrieden mit dem Engagement der Politik für gesunde und nachhaltige Kita- und Schulverpflegung ist. Warum also sollte man den genau entgegengesetzten Weg einschlagen und den Zugang zum Mittagessen wieder erschweren?
Die langfristig positiven Effekte einer guten, staatlich finanzierten Schulverpflegung sind in Skandinavien klar belegt. Dort ist das Mittagessen in den Schulen fester Bestandteil der Ernährungs- und Gemeinschaftsbildung und seit Jahrzehnten kostenfrei. Kinder, die daran teilnahmen, sind als Erwachsene im Durchschnitt nicht nur größer und gesünder, als Kinder, die nicht mitgegessen haben, sie sind auch leistungsfähiger und haben höhere Einkommen, was wiederum dem Staat durch Steuermehreinnahmen zugutekommt. Dieser Effekt ist umso deutlicher, wenn die Kinder aus finanziell benachteiligtem Elternhaus kommen. Eine Politik, die das nicht mitberücksichtigt, ist kurzsichtig und nicht an sozialer Gerechtigkeit interessiert. Investitionen in eine gute Schulverpflegung sind Investitionen in die Gesundheit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit künftiger Generationen.
In Berlin gehören die meisten Eltern zu den Gering- oder Normalverdienern. Sie kämpfen schon jetzt mit den kaum noch bezahlbaren Mieten und den Folgen der Inflation. Wird die Kostenfreiheit abgeschafft, kommen auf diese Eltern Kosten in Höhe von bis zu 125 Euro pro Monat und Kind zu. Mit dieser zusätzlichen Belastung dürfte die Beteiligung am Schulessen wieder deutlich abnehmen. Als Cateringunternehmen müssen wir dann zusehen, wie Schüler hungrig neben ihren essenden Klassenkameraden sitzen. Diese Erfahrung müssen wir den Kindern unbedingt ersparen. In einem reichen Land wie Deutschland ist ein kostenloses Mittagessen für alle Schulkinder der einzig richtige Weg. In Berlin darf es keinen Schritt zurückgehen.